Geschichten

Einfach nicht wert - ein Song, der bewegt!

Ich schrei sie raus die ganze Wut, das Schicksal hat mich ausgesucht

Jasmin Müllers Song ist Bewältigung, Neuanfang und Unterhaltung zugleich

Eines Tages sprach Jasmin mich an, wie ich denn vorgehe, wenn ich eigene Songs schreibe. Sie hätte auch großes Interesse, einmal einen eigenen Song zu entwickeln. Wir vereinbarten, dass sie mir zuerst den Text aufschreiben solle, den sie gerne musikalisch präsentieren wollte.
Die Geschichte haute mich um. Es war die Geschichte einer Kindheit in einer Pflegefamilie, in der Gewalt und Hass an der Tagesordnung waren. Die Geschichte eines Kindes, das geliebt werden wollte, aber immer nur Abneigung erfuhr. Das in den Wald lief, um dort seine Wut und Verbitterung rauszubrüllen, um nicht unterzugehen. Was für eine Geschichte – die Geschichte dieser Frau, die ich heute als liebevolle Mutter und willensstarke Frau erlebe.
„Wo die Sprache aufhört, beginnt die Musik.“ Dieser Satz war für mich in meiner Tätigkeit für Hephata von Anfang an sehr bedeutsam, deckte er sich doch mit meinen Erfahrungen gerade mit Menschen mit starken kognitiven Einschränkungen. Die Sprache „Musik“ verstand fast jeder. Und so war die Gründung einer Musikband in der Stiftung ein logischer Schritt in meiner musikalischen Zusammenarbeit mit Menschen mit Handicap. Seit ein paar Jahren existiert die Band „Frauke & die schrägen Vögel“. Vor einiger Zeit stieß Jasmin Müller zu uns, eine talentierte Sängerin, die gut in das bestehende Gefüge der Band passte. Sie ergänzt unsere Sängerin Frauke Schmidt, was zur Folge hatte, dass wir den Bandnamen in „Die schrägen Vögel“ verkürzen mussten.
Daraus sollte ich nun einen Song machen? Ich war skeptisch, fühlte mich aber auch geehrt. Mir war bewusst, dass Jasmin großes Vertrauen in mich setzte und es für sie nicht einfach gewesen sein konnte, sich mir gegenüber so zu öffnen. Ein guter Text musste her. Ihr Wille, die Vergangenheit hinter sich zu lassen, sollte deutlich zum Ausdruck kommen. Ich kritzelte erste Textzeilen zu einem möglichen Refrain. Parallel entstand dann auch eine Melodie. Irgendwann stand der Song im groben Gerüst, ich war zufrieden mit dem Ergebnis. Aber vor allen Dingen sollte Jasmin damit zufrieden sein. Und das war sie auch. Was für eine Musikrichtung wollten wir nun zugrunde legen? Rock, Punk oder vielleicht sogar eine Ballade? Wir probierten verschiedene Richtungen aus und schnell stand für Jasmin fest: der Song muss „krachen“ – also Punk!
Die Studioarbeit war noch einmal anstrengend, war dies doch absolutes Neuland für sie. Anfangs sang sie noch viel zu brav für einen Punk-Song und traute sich nicht so richtig, aus sich herauszugehen. Auch der Schrei, für den sie als Kind in den Wald lief, wollte nicht authentisch rüber kommen. Ich fuhr extra mit ihr in ein Waldstück, um einen Original-Schrei hinzubekommen. Was ich aber nicht bedacht hatte - im Wald tauchen immer wieder Spaziergänger auf.  Also fuhren wir besser doch wieder zurück ins Studio. Letztendlich bekamen wir den Schrei im Studio doch zufriedenstellend hin und der Song konnte fertig gestellt werden. Und er ist es definitiv wert, gehört zu werden!

Den Text hat Andreas Neugebauer geschrieben, Beauftragter für inklusive Entwicklung in der Hephata Wohnen gGmbH

 

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